Der Wolf im Schafspelz: Faktencheck verbreitet Fake News zur Homöopathie
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Faktencheck Wissenschaft Homöopathie
Der SWR3 möchte sein Publikum in seinem aktuellen „Faktencheck Homöopathie“ [01] darüber aufklären, dass diese nicht wirken könne und eine Geldverschwendung für Krankenkassen darstelle.
Gefährlich sei die Homöopathie mutmaßlich auch, wenn man bei schweren Erkrankungen „echte“ Medizin weglasse, um stattdessen Globuli einzunehmen. Hier geben wir dem SWR recht. Schwere Erkrankungen gehören immer in die Hände kompetenter Ärzt*innen, die die beste Behandlung für und mit ihren Patient*innen wählen.
Aber: All diese Behauptungen sind nicht neu, und der SWR3 nennt auch keine neuen Argumente, die sie belegen könnten. Im Gegenteil: Was der SWR zur Homöopathie verbreitet, kommt ohne jede Nennung von Quellen aus. Diese aber stünden einem Format mit investigativem Anspruch, welches beständig „die Wissenschaft“ im Munde führt, gut zu Gesicht.
Wir liefern, was der SWR3 schuldig bleibt: Einen Faktencheck mit belegbaren Aussagen zur Homöopathie, unter Nennung wissenschaftlicher Quellen.
Homöopathie im Abschwung?
Die Beliebtheit von Homöopathie nimmt laut SWR3 ab. Der Sender beruft sich bei dieser Behauptung auf eine repräsentative Umfrage [02] aus 2021 durch das Institut Kantar, die im Auftrag der GWUP (sog. "Skeptiker") durchgeführt wurde. Dementsprechend ist auch die in Rede stehende Aussage zur Homöopathie in der Befragung mit einem gewissen Spin versehen: „Homöopathie ist ebenso wirksam wie konventionelle Medizin, wenn nicht sogar besser.“, lautete die These, zu der sich die Teilnehmer*innen positionieren sollten. 33,2% der Befragten stimmten zu. Ein Schelm, der Böses dabei denkt.
Wie unterschiedlich die Ergebnisse solcher Befragungen zu einem bestimmten Thema in Abhängigkeit von der genauen Formulierung ausfallen können, veranschaulicht eine ebenfalls 2021 veröffentlichte repräsentative Erhebung durch Forsa im Auftrag der Deutschen Homöopathie Union (DHU) [03]. In dieser gaben 54% der Befragten an, „Erfahrungen mit dieser Therapieform gesammelt“ zu haben. Für weitere 16% Prozent „käme die Verwendung homöopathischer Arzneimittel in Frage“. In einer Befragung aus 2020 finden sich nahezu dieselben Zahlen, namentlich 55% und 15% [04]. Auch in 2018 hatten 55% der Deutschen schon einmal Homöopathie verwendet [05], in 2014 60% [06], und in 2009 waren es 53% [07].
Suggestive Fragestellung
Die Aussage des SWR3 „Tatsächlich nimmt die Beliebtheit der Homöopathie ab.“, hält somit einer Überprüfung nicht stand: Die vom SWR3 behauptete Abnahme lässt sich in Erhebungen mit neutralen Fragestellungen nicht konstatieren. Vielmehr scheinen homöopathische Arzneimittel weitestgehend konstant konsumiert zu werden. Die Abweichung in der vom SWR3 zitierten Umfrage dürfte deren – unseres Erachtens – suggestiver Formulierung geschuldet sein.
„Ein Tropfen auf 360 Badewannen“
Anhand dieses Vergleichs fragt der SWR3, ob es denn überhaupt möglich sei, dass homöopathische Arzneimittel, die stufenweise verdünnt und verschüttelt (potenziert) werden, wirken. Teilweise werden bei der Herstellung tatsächlich sehr hohe Verdünnungsverhältnisse der Ausgangssubstanz erreicht. Eine Antwort auf die weitergehende Frage, ob eine Wirkung nicht nur möglich, sondern tatsächlich vorhanden sei, liefert die Grundlagenforschung zur Homöopathie, welche potenzierte Präparate mit Hilfe verschiedener Methoden im Labor untersucht. Diese wissenschaftlichen Befunde scheinen den Faktencheckern unbekannt zu sein, zumindest finden sie mit keiner Silbe Erwähnung. Hier die wichtigsten Forschungsergebnisse aus unterschiedlichen Teilbereichen der homöopathischen Grundlagenforschung anhand der jeweils aktuellsten Übersichtsarbeit (chronologisch geordnet):
2007 sichtete eine Forschergruppe die wissenschaftliche Literatur zu in vitro-Experimenten mit homöopathischen Arzneimitteln, die an Zellkulturen, Mikroorganismen u.ä. durchgeführt wurden [08]:
- 67 experimentelle Studien kamen zur Auswertung.
- 78% von ihnen stellten eine Wirkung von Hochpotenzen fest.
- Von den 18 qualitativ besten Arbeiten berichteten 73% über statistisch signifikante Wirkungen.
Allerdings war kein Ergebnis so stabil, dass es von allen Forschern reproduziert werden konnte.
Eine Bestandsaufnahme [09] zu Experimenten mit potenzierten Substanzen an Pflanzen aus 2018 fand 13 Studien von hinreichender methodischer Qualität, in denen adäquate Kontrollversuche durchgeführt wurden. Alle diese Arbeiten berichteten über spezifische Effekte homöopathischer Arzneimittel. Bei einer dieser Studien handelte es sich um die unabhängige Wiederholung eines früheren Experiments durch eine andere Forschergruppe. Die Resultate des Ausgangsversuchs wurden hierbei bestätigt.
Eine Übersichtsarbeit [10][11] zu physikochemischen Untersuchungen von Homöopathika aus 2018/19 identifizierte 122 Studien von mindestens akzeptabler methodischer Qualität. Die vielversprechendsten Techniken, die von den Forschern verwendet wurden, waren optische Spektroskopie [12], Kernspinresonanzspektroskopie [13] und Messungen der elektrischen Impedanz [14]: „In diesen drei Bereichen liefern mehrere Replikationsexperimente von hoher Qualität Belege für spezifische physikalisch-chemische Eigenschaften homöopathischer Präparate.“, resümierten die Autoren der Übersichtsarbeit.
Insgesamt ist somit festzustellen, dass die Daten aus der Grundlagenforschung zur Homöopathie recht deutlich dagegensprechen, dass es sich um ein reines Placebo handelt. Auf der anderen Seite sind die Belege bislang nicht überzeugend genug, um von einem harten naturwissenschaftlichen Beweis sprechen zu können. Die Qualität der Experimente nimmt allerdings zu, ebenso die Zahl erfolgreicher Replikationen.
Am ehesten sollte die Wirkung hochpotenzierter Präparate daher als Anomalie angesprochen werden: Es scheint Effekte zu geben, jedoch sind diese nicht hinreichend unter Rückgriff auf gängige Theorien erklärbar. Weil der Wirkmechanismus dieser Substanzen weitestgehend unverstanden ist und infolgedessen unbekannte Faktoren Einfluss ihre Wirkweise haben können, sind viele Experimente offenbar nicht einwandfrei reproduzierbar. Wäre es nicht die Aufgabe der Faktenchecker des SRW3 gewesen, diese Forschungsbefunde zu recherchieren, wertneutral zu prüfen und differenziert einzuordnen, anstatt aus dem hohlen Bauch heraus darüber zu fabulieren, dass eine Wirkung potenzierter Arzneimittel vermutlich gar nicht möglich sei?