Naturheilkunde
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"Alternativloses Heilen" – Rezension des Buches von Hans-Josef Fritschi
Faktencheck

„Alternativloses Heilen“ – Rezension des Buches von Hans-Josef Fritschi

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Faktencheck Wissenschaft Homöopathie Naturheilkunde

Immer wieder lesen wir schlechte Nachrichten über naturmedizinische Therapiemethoden: Unwissenschaftlich, unwirksam, ja sogar gefährlich sollen sie sein, die Akupunktur, die Homöopathie, die Osteopathie usw. Stichwortgeber und nimmer müde Agitprop-Akteure der Bewegung für eine "reine" Schulmedizin entstammen zumeist dem Umfeld der sog. "Skeptikerbewegung". Hans-Josef Fritschi widmet sich in seinem neuen Buch (1) der Frage, welche wissenschaftlichen Fakten den Botschaften der "Skeptiker" eigentlich zugrunde liegen und auf welche Art Gesundheitssystem wir zusteuern, wenn wir sie ernstnehmen.

Seine Analyse ergibt, dass die Befunde klinischer Studien von den Kritikern der Naturmedizin selektiv wahrgenommen und einseitig interpretiert werden. Am Beispiel der Forschungslage zur Homöopathie zeigt Fritschi auf, dass nicht etwa ein unvoreingenommenes Festhalten an den ehernen Prinzipien der Evidenzbasierten Medizin die Meinung der "Skeptiker" formt, sondern eine Weltanschauung, die Rationalität lediglich als Popanz vor sich her trägt. Hierbei zeigt sich die Kritik an Globuli & Co. nicht nur als wissenschaftlich fragwürdig, sondern auch als lebensfremde Borniertheit, die die praktischen Bedürfnisse und Probleme von Patienten und Therapeuten verkennt.

Die Wissenschaft hat festgestellt…

Warum bspw. werden die zahlreichen eindeutig positiven Studienergebnisse zur Alltagswirksamkeit der Homöopathie unter Verweis auf methodische Standards heruntergespielt? Die zugrundeliegenden sog. Beobachtungsstudien können zwar designbedingt keinen Aufschluss darüber geben, welchen Anteil an den beobachteten Effekten nun jeweils die potenzierten Arzneimittel oder das ausführliche Gespräch im Rahmen einer homöopathischen Behandlung haben, aber eines zeigen sie völlig unzweideutig: Homöopathie als therapeutisches Gesamtpaket hilft, und zwar vielfach ebenso gut wie konventionelle medizinische Maßnahmen, aber mit deutlich weniger Nebenwirkungen. (2) Ist nun dieser wissenschaftliche Befund für kranke Menschen relevanter oder weniger relevant als die Frage, ob es sich "nur" um Placeboeffekte handelt?

Auf der anderen Seite dokumentiert etwa eine Fülle methodisch rigoroser Studien zu Antidepressiva, dass diese Substanzen, wenn überhaupt, nur geringfügig besser als Placebo wirken, dabei aber z.T. massive Nebenwirkungen wie Schlaflosigkeit, Appetitmangel, psychomotorische Unruhe, sexuelle Dysfunktion und erhöhtes Selbstmordrisiko entfalten. (3) Selbst unter der Annahme, die spezifische Wirkung von Antidepressiva über Placebo existiere und sei klinisch bedeutsam, muss die Frage erlaubt sein, welche Funktion denn klinische Forschung in der Medizin letztlich haben soll. Der um homöopathische Beobachtungsstudien erweiterte Kontext stellt sich nämlich folgendermaßen dar: Ärzte mit homöopathischer Zusatzausbildung erzielen bei Depressionen etwas bessere therapeutische Ergebnisse als ihre rein konventionell arbeitenden Kollegen und verschreiben dabei deutlich weniger Antidepressiva. (4) Ist es nun im Sinne des hilfesuchenden Patienten, diesen Forschungsbefund zu ignorieren, weil in der zugrundeliegenden Studie nicht gegen Placebo getestet wurde und ihm ausschließlich Medikamente zu verabreichen, deren streng wissenschaftlich nachgewiesene, minimale Wirkung über Placebo mit einem ganzen Portfolio bedenklicher Begleiterscheinungen erkauft werden muss?

Quo vadis, Medizin?

Fritschi zeigt in seinem Buch auf, dass die Geschichte von der bösen Naturmedizin, der die gute Schulmedizin gegenübersteht, durch massive PR-Aktivitäten der "Skeptiker" in sozialen Netzwerken wie Facebook und Twitter sowie eine äußerst einseitige Berichterstattung in klassischen "Leitmedien" den öffentlichen Diskurs bereits deutlich prägt. Und nicht nur das: Entscheidungsträger im Gesundheitswesen stellen vermehrt politische Weichen in Richtung einer schulmedizinischen Monokultur, ohne Therapiefreiheit, ohne Wahlmöglichkeiten für die Patienten. Zu nennen wären hier bspw. die Abschaffung der ärztlichen Zusatzbezeichnung "Homöopathie" in mehreren Bundesländern, (5) ein laufendes Rechtsgutachten zur Zukunft des Heilpraktikerwesens, (6) eine geplante Verschärfung der Gesetzgebung zu Nahrungsergänzungsmitteln, (7) die Einschränkung der Erstattungsfähigkeit von Akupunktur (8) usw.

Für die "Skeptiker" sind diese Entwicklungen der wünschenswerte Beginn einer Ära der "streng wissenschaftlichen" Medizin im aufgezeigten Sinne. Die Mehrheit der Bevölkerung wünscht sich aber repräsentativen Umfragen (9) zufolge gerade kein "alternativloses Heilen" nach diesem Modell, sondern eine Integrative Medizin, (10) die das Beste aus Schulmedizin und Naturmedizin vereint. Es stellt sich also die Frage, wer davon profitieren würde, wenn Akupunktur, Anthroposophie, Naturheilkunde & Co. aus der Medizin verschwänden:

"Eine rationalistische Einheitsmedizin würde einem solchen Herrschaftsanspruch aber Tür und Tor öffnen. Da die Verflechtung von Medizin, Wissenschaft und Wirtschaft dann immer stärker würde, bestünde die konkrete Gefahr, dass sich die Medizin zum Spielball wirtschaftlicher Interessen entwickelt – noch deutlich mehr, als sie es heute teilweise schon ist. Wer hier nur an Pharmariesen wie Pfizer, Bayer oder Novartis denkt, macht wohl die Rechnung ohne den wahren Wirt: Das Silicon Valley drängt immer intensiver in den Gesundheitsmarkt vor, wobei die heute schon verfügbaren 'Gesundheits-Apps' von Google und Amazon nur der Anfang sein werden." (11)

Fazit

Fritschi plädiert in seinem Buch für eine Medizin der Zukunft, die zwar auch, aber nicht ausschließlich auf Hightech-Medikamente, Gentherapien und Digitalisierung setzt: Die unterschiedlichen Vorstellungen von Gesundheit und Krankheit in Natur- und Schulmedizin sowie die sich hieraus ergebenden Therapieansätze sollen gleichberechtigt miteinander arbeiten. Insbesondere müsse die Selbstregulationsfähigkeit des Organismus als tragende Säule der Medizin anerkannt werden, so dass aufgeklärte Patienten sich zwischen für den individuellen Fall passgenau erarbeiteten Maßnahmen entscheiden können, die von einem Kurs in Achtsamkeitsmeditation bis hin zu einer Operation reichen können. "Alternativloses Heilen" ist eine spannende Lektüre, welche die Widersprüche in der Argumentation der "Skeptiker" wissenschaftstheoretisch kenntnisreich analysiert und einen aufgeklärten, undogmatischen Gegenentwurf für eine menschliche Medizin liefert.

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