Apothekenumschau aktuell – Nein zu gesundheitlicher Selbstbestimmung und Evidenzbasierter Medizin
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Faktencheck Wissenschaft Homöopathie Naturheilkunde
Können Sie sich mit dieser Forderung identifizieren? Vermutlich nicht. Aber genau das verbirgt sich hinter der Mogelpackung, die die aktuelle Ausgabe der Apothekenumschau (1) den Verbrauchern unterjubeln möchte. Unter dem Deckmantel der wissenschaftlichen Aufklärung werden dort naturmedizinische Methoden verunglimpft. Die Autoren verkennen hierbei erstens die Datenlage aus klinischen Studien. Zweitens widersprechen sie sich in ihrer Interpretation des Konzepts der Evidenzbasierten Medizin selbst.
Wissenschaft vs. Esoterik am Beispiel Akupunktur
Die Apothekenumschau behauptet, die Effekte von Akupunktur seien "umstritten". Sie unterschieden sich gemäß Studienlage nicht von einer sogenannten Scheinakupunktur, bei der zwar Nadeln gesetzt werden, allerdings nicht an den Stellen, die die Traditionelle Chinesische Medizin vorsieht. Die Wirksamkeit der Akupunktur beruhe daher vermutlich allein auf "Placeboeffekten".
Ganz im Gegensatz zu dieser Darstellung konstatieren die Autoren einer aktuellen Übersichtsarbeit, die 39 methodisch hochwertige Akupunkturstudien einschließt: "Wir haben randomisierte Studien zur Akupunktur im Vergleich zu Scheinakupunktur oder einer Nicht-Akupunktur-Kontrolle [z.B. Schmerzmittel; J.B.] bei unspezifischen Schmerzen des Bewegungsapparats, Osteoarthritis, chronischen Kopfschmerzen oder Schulterschmerzen einbezogen. Die Akupunktur war sowohl der Scheinakupunktur als auch Nicht-Akupunktur-Kontrollen bei allen Schmerzzuständen überlegen. Die Verringerung der Schmerzen nach Akupunktur kann nicht allein durch Placeboeffekte erklärt werden." (2)
Wurde die Studienlage zur Akupunktur von der Apothekenumschau nur unsauber recherchiert, oder wurde sie absichtlich falsch dargestellt, weil die wissenschaftlichen Fakten nicht zu der Geschichte passen, die dem Leser verkauft werden soll? Hinzu kommt auf Seiten der Schulmedizin: Nach höchsten Maßstäben soweit wissenschaftlich abgesichert, dass weitere Forschung unnötig ist, sind lediglich 1% aller medizinischen Interventionen. (3) So basieren beispielsweise nur 11% der Behandlungsleitlinien zu Herz-Kreislauferkrankungen auf methodisch hochwertigen Studien (4), in der Onkologie sind es gerade einmal 6%. (5) Die Gegenüberstellung von wissenschaftsbasierter Schul- und esoterischer Naturmedizin, wie sie die Apothekenumschau präsentiert, ist also in dieser allzu simplen Form nicht durch die Datenlage gedeckt.
Evidenzbasierte Medizin in Trümmern
Völlig richtig referiert die Apothekenumschau die drei Säulen der Evidenzbasierten Medizin: Urteil des Therapeuten, Wunsch des Patienten und wissenschaftliche Belege aus klinischen Studien (6) und dass, wenn eine dieser Säulen einstürzt, das ganze Konzept buchstäblich wie ein Kartenhaus zusammenbricht. Wie also ist die Haltung der Bevölkerung zur Naturmedizin? Repräsentative Umfragen diverser Meinungsforschungsinstitute geben Aufschluss: 75% der Deutschen wünschen sich laut einer Umfrage von Kantar TNS aus 2018 eine Integrative Medizin, die das Beste aus Schul- und Naturmedizin vereint. (7) Dieser Befund ist konstant und findet sich auch auf der Ebene einzelner Therapiemethoden. Eine Erhebung durch Forsa aus 2021 fand etwa heraus, dass 70% der Bundesbürger offen für eine homöopathische Behandlung sind. (8)
In Bezug auf das Urteil des Therapeuten darf festgestellt werden, dass in Deutschland 60.000 Ärzte über eine naturmedizinische Zusatzbezeichnung, wie etwa Akupunktur, Naturheilverfahren oder Homöopathie, verfügen. (9) Sie werden etwa durch die Hufelandgesellschaft vertreten. Hinzu kommen rund 47.000 Heilpraktiker. (10) Es darf angenommen werden, dass diese über 100.000 Behandler, die naturmedizinische Methoden anwenden, grundsätzlich davon ausgehen, dass es sich in geeigneten Fällen um wirksame Therapien handelt.