„Koffein hilft uns, gesund zu bleiben“
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Ernährung Fasten Gesundheitstipps
Prof. Andreas Michalsen ist seit 2009 als Chefarzt der Abteilung Naturheilkunde im Immanuel Krankenhaus Berlin tätig. Der Inhaber der Stiftungsprofessur für klinische Naturheilkunde an der Charité gilt als weltweit anerkannter Ernährungsmediziner und hat mehrere Ratgeber veröffentlicht. Nach einigen Bestsellern hat der Vorstandsvorsitzende der Carstens-Stiftung jetzt die Quintessenzen der neusten wissenschaftlichen Erkenntnisse zusammengefügt. Prof. Michalsen klärt darüber auf, wie wir allein mit guter Ernährung gesund, vital und kraftvoll leben können. Was und wie wir essen sollten, um viel länger zu leben, als wir bisher angenommen haben. Er räumt auf mit den großen Mythen um die Diäten, das Fett, das Salz und die Milch und liefert so manche Überraschung. Wir fragen nach: Sollten wir den Morgenkaffee oder das Feierabendbier besser weglassen und warum ist der Obstsaft so ungesund? Und kann man sich wirklich schön essen?
Natur und Medizin:
Kaffee ist das absolute Lieblingsgetränk der Deutschen. Noch vor wenigen Jahren wurde immer wieder gewarnt, man solle nicht zuviel Kaffee trinken, denn das sei schlecht für das Herz – dann plötzlich die Umkehr: Kaffee sei gesund – was stimmt denn jetzt?
Prof. Dr. Andreas Michalsen:
Besonders beim Kaffee hat die Wissenschaft in den letzten Jahren eine erstaunliche Erkenntnis gemacht: Wurde er früher vor allem im Hinblick auf Bluthochdruck, Herzerkrankungen und Schlafstörungen als überwiegend negativ bewertet, mehren sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten die Belege für erstaunlich vielseitige gesunde Wirkungen.
Demnach reduziert regelmäßiges Kaffeetrinken das Risiko, an Morbus Parkinson, Diabetes Typ 2, Herzinfarkt, Leberleiden, Gicht, Gallensteinen, Depressionen, Darm-, Brust- und Prostatakrebs und sogar an Demenz zu erkranken. Am meisten beeindruckt mich, dass Kaffee möglicherweise dazu beiträgt, dass wir später sterben. Mehrere Studien fanden heraus, dass Menschen, die regelmäßig mehrere Tassen Kaffee täglich tranken, eine höhere Lebenserwartung hatten. Dabei war es egal, welche Sorte die Probanden zu sich nahmen. Allerdings stammt der überwiegende Teil dieser Daten aus beobachtenden Untersuchungen, die ja nicht eindeutig beweisen können, ob es nun wirklich der Kaffee ist, der ein gesundes und langes Leben fördert, oder ob sich Kaffeegenießer grundsätzlich gesundheitlich vernünftiger verhalten. Für die Wirkung von Koffein auf Übergewicht, Stoffwechsel und Diabetes wurde kürzlich eine Studie veröffentlicht, die aufgrund ihres Verfahrens mehr Beweiskraft besitzt und belegt, dass höhere Koffein-Spiegel tatsächlich mit weniger Diabetes Typ 2, weniger Gewicht und Fettmasse verbunden waren. Das Koffein selbst muss uns also dabei helfen, gesund zu bleiben.
Bezüglich der idealen Dosis gibt es keine einheitliche Empfehlung. Wahrscheinlich sind bis zu vier Tassen täglich optimal. Trinken Sie Ihren Kaffee schwarz oder mit Mandel-, Soja- oder Hafermilch, möglichst ohne oder mit nur wenig Zucker. Wenn Ihnen Kuhmilch besser schmeckt, ist es sinnvoll, die Menge zu reduzieren.
Was ist mit dem 2. Lieblingsgetränk der Deutschen, dem Feierabendbier? In ihren Quintessenzen steht, Bier sei gesund. Das ist auf den ersten Blick sehr überraschend und wird vor allem Männer freuen. Wie kommt es zu dieser Aussage?
Tatsächlich kann Bier der Gesundheit dienlich sein. Hierfür sind unterschiedliche Inhaltsstoffe verantwortlich, insbesondere die Polyphenole und Bitterstoffe des Hopfens. In Tierstudien konnten Forscher zeigen, dass die Alpha-Säuren gut sind gegen Leberfett und Entzündungen, zudem wirken sie günstig auf den Fett- und Zuckerstoffwechsel ein, sie können also eher helfen, Übergewicht zu verhindern, statt für dicke Bäuche zu sorgen. Eine interessante klinische Studie mit gesunden jungen Männern, denen vor den Mahlzeiten ein Extrakt aus Bitterhopfen als Kapsel verabreicht wurde, bestätigte diese Ergebnisse. Die Einnahme führte dazu, dass die Probanden bei der Testmahlzeit und einem späteren Snack weniger aßen. Es waren mehr Sättigungshormone der Magen-Darm-Zellen ins Blut abgegeben worden. Ob diese günstigen Wirkungen auch langfristig bestehen bleiben, muss noch weiter erforscht werden.
Jetzt kommt das Aber: Der (schädliche) Alkohol im traditionellen Bier hebt die guten Wirkungen der Polyphenole und des Hopfens in der Summe meist auf. Es ist anzunehmen, dass bei alkoholfreiem Bier die günstigen Wirkungen auf den Stoffwechsel deutlich überwiegen. Auch im Hinblick auf die Gesundheit des Gehirns punktet das alkoholfreie Bier: Dass ein überhöhter und dauerhafter Alkoholkonsum das Gehirn schädigt, ist seit langem nachgewiesen. Bisher wurde dies jedoch nur mit größeren Mengen Alkohol in Verbindung gebracht. MRT-Untersuchungen im Rahmen der United-Kingdom-Biobank-Studie, die von 2006 bis 2010 an 500.000 Probanden aus dem Vereinten Königreich durchgeführt wurde, zeigten, dass bereits eine Flasche mit alkoholhaltigem Bier am Tag mit einem Rückgang des Hirnvolumens und einer Störung von Nervenzellen einhergehen kann – das entspricht einer vorzeitigen Alterung des Gehirns um ein bis zwei Jahre.
Ist das Bier jedoch alkoholfrei und der Hopfen kann sich ungestört entfalten, sieht die Sache anders aus. In Tierstudien konnte nachgewiesen werden, dass sich die Alpha-Säuren des Hopfens positiv auf die Hirnleistung auswirken. Alkoholfreies Bier löscht also nicht nur gut den Durst, sondern ist ein gesundes Getränk, auch im Hinblick auf Prävention einer Demenz.
Für mich persönlich ein großer Genuss sind Äpfel, frische Mangos, Feigen und Beeren jeder Art. Vorsicht aber vor Trockenfrüchten, sie enthalten sehr viel mehr Fruktose als die frischen Varianten, da sollte man etwas maßhalten. Eine Ausnahme sind Backpflaumen, die sind nicht nur gut für regelmäßigen Stuhlgang, sondern schützen sogar vor Osteoporose.
Von Fruchtsäften rate ich aber ab. Viele denken diese wären gesund, sind sie aber nicht. Zahlreiche Studien zeigen, dass mit dem Trinken von Fruchtsäften das Risiko steigt, Diabetes zu bekommen oder einen Herzinfarkt zu erleiden – während der Verzehr von frischen Früchten gesund ist. Durch den Herstellungsprozess der Säfte gehen die meisten Ballaststoffe verloren. Ich empfehle Ihnen daher, immer Obst in seiner natürlichen Form zu essen. Und trinken Sie keine Fruchtsäfte oder Saftschorlen, höchstens als Ausnahme. Das gilt leider auch für die so beliebte Apfelschorle und für Orangensaft. Ein Glas Orangensaft enthält etwa 24 Gramm Zucker, vor allem Fruktose. Mit einem Glas haben Sie Ihren Tagesbedarf an Zucker praktisch erreicht. Würden Sie hingegen drei Orangen essen, so viel wie in einem Glas Saft sind, wäre das nicht schlimm, denn sie würden gleichzeitig viele Ballaststoffe zu sich nehmen.
Wenn Sie Saft lieben, kaufen Sie sich einen Entsafter, der den größten Anteil der natürlichen Obstbestandteile im Saft belässt. Das gewährleisten die herkömmlichen Saftpressen, aber nicht die Zentrifugen-Entsafter, die in der Massenproduktion eingesetzt werden. Mögen Sie gerne Smoothies, empfehle ich Ihnen, Obst mit grünem Blattgemüse (zum Beispiel Spinat oder Rucola) und Kräutern zu mischen, damit die Süße nicht zu sehr überwiegt.
Das 70+ Kochbuch
Altbewährte und neuentdeckte Rezepte für den speziellen Bedarf älterer Menschen
Altbewährte und neuentdeckte Rezepte für den speziellen Bedarf älterer Menschen
ISBN: 978-3-96562-058-2
Erscheinungsjahr: 2021
17,00 EUR
Zum Shop »Ein bisschen was geht, würde man umgangssprachlich sagen. Die Faltenbildung im Alter, die Farbe und Frische des Teints und die Vitalität und Pigmentierung der Haut – all diese Faktoren lassen sich mit Ernährung günstig beeinflussen. Schönheit ist natürlich subjektiv, aber Menschen mit einer rosigen Gesichtsfarbe gelten allgemein als attraktiver. Die Hautfarbe gesünder aussehen zu lassen, lässt sich einfach und zügig erzielen. Je mehr Carotin sich in der Haut abgelagert hat, desto ästhetischer wirkt der Teint. Bei Babys kennen wir das Phänomen: Wird reichlich Möhrenbrei gefüttert, wird die Haut schön karottenrot. Bei Erwachsenen sorgen drei bis vier Portionen Gemüse mit reichlich Beta-Carotin (Möhren, Tomaten oder Süßkartoffeln) schon nach vier bis sechs Wochen für eine rötlich-gelbe Färbung der Haut – der erste Schritt zu einem anziehenden Aussehen. Hinzu kommt, dass Möhren bereits in niedriger Dosierung tatsächlich Alterungsprozesse abbremsen. Mein Schönheitstipp Nummer eins lautet deshalb: täglich eine Portion Möhren, sei es als Möhrensalat oder Möhrengemüse.
Eine Studie kam zu dem Ergebnis, dass es für die Wahrnehmung von Frische und Gesundheit mehr bringt, neun Portionen Gemüse und Obst täglich zu essen als drei. Wer schön sein will, muss leiden, mag mancher nun denken. Aber auch wenn neun Portionen zunächst nach großer Anstrengung klingen, dürfen Sie nicht vergessen, dass jeweils kleine Mengen ausreichen. Und der Tag ist lang. Auch das Fasten schenkt uns Schönheit: Während des Heilfastens sieht man etwas faltiger und blasser aus, denn Fasten entwässert. Aber danach schwärmen die Fastenden (und ihre Angehörigen und Freunde) meist von schönerer, frischerer und jüngerer Haut. Es scheint, dass Fasten ein Konkurrent der ästhetischen Dermatologie ist. Wir können uns also (etwas) schöner essen.
Medizinisch ist das nicht wichtig, aber ich denke, es ist ein guter Motivationsverstärker, um gerade in jüngeren Jahren einen Anreiz für gesunde Ernährung und Fasten zu setzen. Dann bleibt man auch in späteren Lebensjahren gesünder, beschwerde- und schmerzfreier – das Wichtigste, um frisch und entspannt auszusehen.
Der wahre Killer unserer Ernährung ist das Industrieessen, denn es ist energiedicht, hyperschmackhaft und dadurch süchtig machend.
Haben Sie einen abschließenden persönlichen Gesundheitstipp für die Mitglieder von Natur und Medizin?
Aus Gesprächen und Vorträgen weiß ich, dass viele der Mitglieder von Natur und Medizin dies bereits tun: Beherzigen Sie das Konzept der traditionellen vollwertigen Ernährung. Es gibt viele gute und gesunde Produkte und Gerichte, zu Unrecht haben sie an Popularität verloren: Grünkohl (ohne Pinkel!), Rote Bete, Rüben, Schwarzwurzelgemüse, Sauerkraut, Kohlsuppe, Haferbrei, Gerstengrütze, Gemüsesuppe, schwäbischer Kartoffelsalat (mit Essig, Öl und Gemüsebrühe), Krautnudeln (aus Vollkorn), Kürbisgemüse oder Kren (Meerrettich). Natur und Medizin bietet für seine Mitglieder hierzu tolle Ratgeber mit schmackhaften Rezepten, z. B. Kohl – neu entdeckt! oder Die Kartoffel – Wissenswertes und Schmackhaftes rund um die gesunde Knolle, aber natürlich auch der beliebte Ratgeber aus dem KVC Verlag Vegetarisch vollwertig kochen. Außerdem möchte ich den Mitgliedern mit auf den Weg geben: Der wahre Killer unserer Ernährung ist das Industrieessen, denn es ist energiedicht, hyperschmackhaft und dadurch süchtig machend.
Mein Tipp: Finger weg! Bereiten Sie Ihre Mahlzeiten aus unverarbeiteten Lebensmitteln zu und kochen Sie so oft es geht selbst. Die Verdauung wird besser, wenn unsere Sinne schon vor der Mahlzeit die Nahrung wahrnehmen. Riechen, Schmecken und Wahrnehmen während der Zubereitung sind dabei hilfreich. Eine angenehme, ruhige Atmosphäre beim Essen fördert die Verdauung, wohltuende Musik und Unterhaltung optimieren die Verstoffwechselung der Nahrung. Langsames Essen, langes Kauen und Einspeicheln des Essens unterstützen die Verdauung und helfen, das Gewicht langfristig zu halten.