Angst – wie man den Drachen zähmt
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Mentale Gesundheit Angst
Covid, Klimawandel, Krieg – Angst ist ein riesiges Thema in unserer Gesellschaft. Nicht nur die Angststörungen, die mit 17 Millionen Betroffenen die Liste der psychischen Erkrankungen in Deutschland anführen, sondern auch Millionen von Menschen, welche die großen globalen Krisen nicht mehr schlafen lassen. Diese Ängste sind eine besondere Herausforderung für Psychologen und Gesundheitspolitiker, denn sie sind keine Krankheit, für sie gibt es keine fertigen Therapievorschläge, sie sind real. Sie können aber krank machen. Gerade auch junge Menschen spüren, wie verletzlich diese Welt geworden ist, sie haben, zeigen viele Umfragen, Angst vor der Zukunft und sie sind in besonderem Maße gefährdet, in der Folge auch eine psychische oder körperliche Krankheit zu entwickeln. Angst – wie man den Drachen zähmt!
Dabei dürfen wir nicht vergessen, dass die Angst eine wichtige Rolle in unserem Leben spielt: Sie regt an und erhöht – wenn sie nicht zu stark ist – die Leistungsfähigkeit, zum Beispiel in Prüfungen oder bei Lampenfieber auf der Bühne. Sie ist auch ein Überlebensmechanismus, das hat als erster Walter Cannon (1871–1945) beschrieben. Nachdem er als Militärarzt im Ersten Weltkrieg die Schüttel- und Zitteranfälle der Soldaten gesehen hatte, untersuchte er die körperlichen Folgen psychischer Belastung und prägte den berühmten Begriff der "Fight-or-flight"-Reaktion, einen inneren Alarmzustand des Körpers, der die Bereitschaft zu "Kampf oder Flucht" sichert. Was Angst mit uns macht, kommt also auf die Dosis an.
Wie wir mit Ängsten umgehen, wie sehr sie uns belasten, aber vielleicht auch beflügeln, das hängt von unserer persönlichen Entwicklung ab. Neben der Liebe ist die Angst eines der allerersten Gefühle, die wir empfinden – als Babys haben wir Angst vor dem Verlassenwerden, im Kleinkindalter folgt die Angst vor Naturgewalten – Gewitter, Feuer, Wasser, Tieren wie Schlangen oder Spinnen – und dann, in der Schule, taucht die soziale Angst auf: Angst, sich zu blamieren, Angst, zu versagen, Angst, nicht dazu zu gehören. Diese Wellen ebben im besten Fall immer wieder ab – je nach individuellen Möglichkeiten, damit umzugehen. In der Pubertät entscheidet sich dann, ob die Ängste verschwinden, anhalten oder sogar zunehmen und zu einer Angststörung, einer so genannten Phobie, werden, die das Leben stark einschränken kann und die man deshalb behandeln lassen sollte.
Die Naturheilkunde kann einen erheblichen Beitrag leisten, Ängste zu bewältigen oder sie an ihren Platz zu verweisen, denn sie wirkt auf Körper, Nerven und Psyche gleichermaßen.
Ihr Ursprung liegt in der Amygdala, dem auch Mandelkern genannten winzigen Schaltzentrum im Gehirn, das über die Instinkte herrscht, wie auch Lust, Aggression oder eben Angst. Botenstoffe verbreiten diese unbewussten, reflexartigen Signale im ganzen Körper und der reagiert – mit Herzrasen, erhöhtem Blutdruck und anderen Symptomen. Im Normalfall, wenn die Bedrohung wieder vorbei ist, klingen diese Zustände der Erregung schnell wieder ab. Der Körper kehrt zur Ruhe zurück. Doch unser Zeitalter sendet Alarmsignale rund um die Uhr, zum Beispiel in den Medien. Wir müssen lernen, mit unseren Reflexen gezielt entgegenzusteuern. Zum Beispiel mit der Entspannungsantwort (relaxation response), die der Stress-Forscher Herbert Benson als Teil der Mind-Body-Medizin entwickelt hat. Seine Übungen führen den Körper zurück zur Ruhe.
Mini-Atemübungen helfen, regelmäßig praktiziert, den Entspannungsreflex zu trainieren, zum Beispiel so: Einatmen, ausatmen und dabei eine Zehn denken, einatmen, ausatmen, eine Neun denken usw. Auf diese Weise rückwärts zählen bis zu Null, für jede Zahl einen Atemzug.
Bewusst atmen, besser leben
Die heilende Wirkung des Atmens kennenlernen – mit einem ausführlichen Praxisteil
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ISBN: 978-3-96562-026-1
Erscheinungsjahr: 2020
15,00 EUR
Zum Shop »Ein anderer Weg ist die Achtsamkeit. Sie hilft uns, im Hier und Jetzt zu sein, das zu akzeptieren, was ist und es nicht zu beurteilen – denn wenn unsere Bewertung nicht zu einer Handlung führen kann, belastet sie nur. Übungen wie eine einzelne Rosine mit allen Sinnen zu erkunden, den Körper in seinem So-Sein zu erspüren oder sich der Atmung bewusst zu werden, sind genauso geeignet, diesen Zustand der Absichtslosigkeit zu erreichen wie eine klassische Meditation. Studien zeigen, dass Achtsamkeit die Amygdala beschwichtigt und die Übererregung dadurch dämpft.
Dann ist da die Bewegung. Wir können der Welt, so bedrohlich sie scheint, zwar nicht davonlaufen. Doch täglich eine halbe Stunde Gehen in der Natur – und wenn es nur ein Flussufer oder eine Grünanlage sind – wirkt Wunder und beruhigt die Nerven. Ausdauertraining beeinflusst die Psyche genauso positiv wie Kraftübungen, Radfahren oder Nordic Walking, aber auch Schwimmen "umspült" die Sinne und kräftigt dabei.
Die Ernährung: Stoffwechselprodukte der Bakterien im Darm erreichen über komplizierte Wechselwirkungen über die Darm-Hirn-Achse das Gehirn. Inzwischen vermutet man, dass auch neurologische Erkrankungen wie Parkinson, Alzheimer oder Multiple Sklerose im Zusammenhang mit dem Darm stehen. Entzündungshemmende, aber auch stimmungsaufhellende Inhaltsstoffe von Lebensmitteln stecken zum Beispiel in Mandeln, Hafer, Linsen, aber auch vielen Gewürzen und nach neuesten Studien auch in fermentiertem Gemüse. Sauerkraut und Kimchi sind "psycho-biotisch". Ernährung, Bewegung und Entspannung – der Lebensstil, schlagen nun Forscher der Harvard-Universität vor, soll Teil der schulmedizinischen Psychiatrie werden.
Naturheilkunde und Mind-Body-Medizin stärken die Selbstregulation des Menschen. Gerade in der Kombination von klassischen Anwendungen wie Wickeln, Auflagen und Heilmassagen mit dem mentalen Training der Mind-Body-Medizin, der Verbindung also von äußerer und innerer Berührung, gelingt es, Körper und Psyche gleichermaßen zu berühren. Das schärft die Wahrnehmung für das, was in uns abläuft und erhöht die Widerstandskraft. Eine beruhigende Einschlafhilfe ist zum Beispiel die Kombination der oben erwähnten Atemübung mit dieser Lavendel-Herz-Auflage: