Die Lust auf Süßes – Genuss oder Sünde?
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Ernährung
Gerade in der Weihnachtszeit locken uns überall köstliche Verführungen: Vanillekipferl, heiße Schokolade mit Sahne und duftender Stollen, Lebkuchen – allein der Gedanke daran lässt den meisten das Wasser im Munde zusammenlaufen. Süßes ist einfach herrlich, es nährt Körper und Seele. Und doch haben viele Schleckermäuler ein schlechtes Gewissen beim Genießen. Ist das notwendig?
Die Vorliebe für den süßen Geschmack ist uns Menschen angeboren, als Säugling besteht unsere erste Nahrung aus süß schmeckender Muttermilch. Viele Getreide- und Gemüsearten schmecken ebenfalls leicht süßlich und sind besonders nährend. Im Gegensatz zu den Geschmacksrichtungen scharf, bitter, salzig oder sauer setzt Süßes im Gehirn Prozesse in Gang, die wir sonst nur von Genussmitteln wie Glückspillen aus der Pharmaküche kennen: zuerst wird der Neurotransmitter Serotonin ausgeschüttet, der zu den wichtigsten Stimmungsmachern unserer Psyche zählt. Viel davon macht glücklich, ein Mangel führt zu Gereiztheit und Stimmungsschwankungen. Frauen verfügen generell über einen niedrigeren Serotoninlevel. Die Lust auf Süßes ist deshalb bei Frauen meist stärker ausgeprägt.
In der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) wird der süße Geschmack dem Element Erde zugeordnet und hat eine elementare Funktion in unserer Ernährung.
Im Chinesischen steht das Wort „gan“ für süß und bedeutet genau übersetzt „der Mund mit etwas drin, das Zufriedenheit vermittelt“. Das zeigt sehr schön, worum es beim süßen Geschmack geht. Lebensmittel, die süß schmecken, wirken beruhigend, entspannend und ausgleichend. In den chinesischen Schriften heißt es außerdem: Der süße Geschmack reist zur Milz. Das bedeutet, süß schmeckende Lebensmittel stärken unsere „Mitte“, genau genommen sind das die Organe Magen, Milz und Bauchspeicheldrüse. Süß baut Lebensenergie („Qi“) und Blut auf, harmonisiert und entspannt.
Mit süßen Lebensmitteln sind aber nicht Süßspeisen gemeint, sondern Lebensmittel, die süß schmecken und nahrhaft sind, wie z. B. Wurzelgemüse (Möhren, Kürbis, Rüben), Getreide (Hirse, Dinkel), Rindfleisch oder auch Gewürze wie Zimt und Vanille. Diese haben von Natur aus einen hohen Süß-Anteil, der durch Kochen noch verstärkt wird. Achten Sie einmal darauf, wie zufrieden und genährt Sie sich nach einem guten Essen mit einer Rinder-Kraftbrühe oder Zutaten wie Möhren, Kartoffeln, Fenchel, Hirse oder Polenta fühlen. Es macht so satt, dass meist auch die Lust auf Süßigkeiten schwindet.
Starke Süßgelüste haben Ursachen
Die starke Süßlust und der Heißhunger auf Schokolade haben auf körperlicher Ebene meist zwei Ursachen: Einerseits, weil die Betroffenen zu wenig gekochte und bekömmliche Nahrung essen. Dadurch fehlt der „Mitte“ das Nährende. Mit dem Bedürfnis nach Süßem versucht der Körper dann Befriedigung zu erlangen. Mit ein bis zwei gekochten Mahlzeiten pro Tag oder zumindest einem guten Frühstück kann Abhilfe geschaffen werden. Ein zweiter Grund für starke Süßlust kann ein chronischer Eiweißmangel sein. Viele Menschen – vor allem Frauen – meiden heutzutage Fleisch in ihrer Ernährung, vergessen aber, dass für den Körper notwendige Eiweiß aus anderen Quellen zu ersetzen. Wenn auf mehr Ausgewogenheit bei den Mahlzeiten geachtet wird und kleine Mengen Fleisch, Fisch, Hülsenfrüchte (Linsen, Bohnen, Kichererbsen), Nüsse, Samen, Eier etc. den Speiseplan bereichern, wird auch die Lust auf Süßes geringer.
Als Kinder wurden wir häufig mit Süßigkeiten belohnt oder getröstet. Traditionelle Fest- und Feiertage mit Weihnachtsbäckerei, Geburtstagskuchen oder Hochzeitstorte stellen jedes Diätvorhaben auf eine harte Probe. Stress und Kummer lassen uns häufig unkontrolliert zu Süßem greifen. Häufig ist auch eine unausgewogene Auswahl bei den Mahlzeiten oder das Auslassen des Frühstücks schuld daran, dass wir ungezügelt nach Süßigkeiten greifen. Außerdem: Verbote haben beim Essen noch nie den gewünschten Erfolg gebracht.
Die moderne Ernährungsberatung verteufelt Süßigkeiten deshalb nicht, sondern empfiehlt einen maßvollen Umgang. Selbst zubereitete Süßspeisen und eine bewusstere Auswahl an Naschereien können durchaus wertvolle Komponenten enthalten, die zu einer ausgewogenen Ernährung beitragen. Abgesehen von „zu süß“ und „zu fett“ gibt es eine Fülle an Rezepten mit Obst, Nüssen, köstlichen Gewürzen und hochwertiger Schokolade, die Ihren Ernährungsalltag bereichern und versüßen können. Kleine Mengen selbst gemachter Süßspeisen befriedigen nicht nur unsere Süßgelüste, sondern sind zusätzlich Nahrung für unsere Seele.