Stärken statt reparieren
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Mentale Gesundheit Integrative Medizin
„Es liegt in ihrer Hand“ schrieb der griechische Philosoph Demokrit über die Menschen, die von den Göttern Gesundheit erflehten: „doch diese selbst zu erhalten, daran denken sie nicht.“ Schon 450 Jahre vor Christus hatte er die Theorie, dass das Leben aus lauter kleinen Elementarteilchen, Atomen, bestehe. Und er forderte, dass man diese immer wieder in eine ausgeglichene Ordnung bringen müsse.
Welche Ordnung hat unsere Gesundheit? An der Essener Klinik erklären wir das mit dem Bild eines Tempels: Dieses Gebäude steht sicher auf einem Fundament, besitzt starke Säulen und eine stabile Decke sowie ein Dach, das trägt und schützt. Je mehr es aber strapaziert wird, desto rascher fängt es an zu bröckeln, an den unterschiedlichsten Stellen. Hat der Tempel schließlich zu viele Baustellen, dann lässt er sich nicht mehr oder nur noch sehr schwer renovieren. Dann werden wir krank.
Der Tempel der Gesundheit
Das Bild des Tempels ist sehr hilfreich, um Menschen zu erklären, wie komplex die Zusammenhänge sind, die über Gesundheit und Krankheit entscheiden. Die beste Basis für Gesundheit ist die Achtsamkeit. Sie meint eine Haltung von zugewandter und fürsorglicher Präsenz im gegenwärtigen Moment. Die Säulen bilden die zweite wichtige Ebene und fokussieren auf das Tun: Wie gestalten wir unseren Lebensstil? Wie atmen, entspannen und bewegen wir uns? Was essen wir, und kümmern wir uns ausreichend um uns selbst? Der Überbau über den Säulen, die Zwischendecke, enthält prägende Vorstellungen vom Lebenssinn und unseren Werten wie auch Gefühle und Gedanken. Wie man über das Leben denkt und was das emotional auslöst – diese Sinndimensionen sind zum Beispiel entscheidend dafür, ob und wie man für sich selbst Sorge trägt. Besonders starken Einfluss haben Gefühle. Denn es wird nur das im Alltag umgesetzt, was sinnstiftend und lustvoll ist und die eigenen Gewohnheiten berücksichtigt. Beruf und Familie sind die Dimensionen, die täglich die meiste Aufmerksamkeit und Energie fordern, aber sie sind auch ein tragendes Dach für unsere Gesundheit.
Der folgende Test erlaubt Ihnen eine aktuelle Bestandsaufnahme und Sie können ihn auch in einigen Abständen wiederholen, um zu sehen, ob sich etwas verändert hat.
Fragebogen: Wie gesund ist mein Lebensstil?
Diese Fragen werden Sie an die Bauteile des Tempels der Gesundheit erinnern, die alle gemeinsam für Ihr Wohlergehen verantwortlich sind. Wenn irgendwo eines der Elemente schwach wird oder zusammenfällt, dann können die anderen das eine Zeitlang kompensieren. Aber wenn es zu viele sind oder sie besonders wichtig für die Statik sind, dann bricht der Tempel zusammen.
Die Basis: Achtsamkeit
Erleben Sie im Alltag immer wieder Momente, in denen Sie mit Ihrer Aufmerksamkeit und allen Sinnen im gegenwärtigen Moment präsent sind? Spüren und beachten Sie im Alltag Ihre Bedürfnisse und Belastungsgrenzen? Gehen Sie humorvoll, freundlich, liebevoll und fürsorglich mit sich selbst um?
Ja = 2 Punkte
Teils, teils = 1 Punkt
Nein = 0 Punkte
Halbieren Sie bitte in der Tempel-Abbildung das Basisfeld und malen Sie es dann entsprechend Ihres Wertes aus: Ja – ganz ausmalen, teils, teils – halb ausmalen, nein – frei lassen.
Die Säulen: Bewegung
1.) Praktizieren Sie regelmäßig eine Form von Ausdauerbewegung, zum Beispiel Spazierengehen, Laufen, Schwimmen oder Fahrradfahren? (mindestens 30 Minuten)
An den meisten Tagen der Woche = 2 Punkte
2-3 Mal in der Woche = 1 Punkt
So gut wie nie oder selten = 0 Punkte
2.) Praktizieren Sie zusätzlich regelmäßig (mindestens einmal in der Woche) zum Beispiel Gymnastik, Yoga oder Qigong?
Ja = 2 Punkte
Nein = 0 Punkte
Ab und zu = 1 Punkt
3.) Üben Sie eine überwiegend sitzende Tätigkeit aus? Bzw., falls Sie nicht berufstätig sind: Verbringen Sie Ihren Alltag überwiegend sitzend?
Ja = 0 Punkte
Nein = 2 Punkte
4.) Sorgen Sie für ausreichend Bewegung in Ihrem Alltag (Gartenarbeit, Besorgungen mit dem Fahrrad, Treppe statt Fahrstuhl etc.)?
An den meisten Tagen der Woche = 2 Punkte
2-3 Mal in der Woche = 1 Punkt
So gut wie nie oder selten = 0 Punkte
Welche Summe erhalten Sie für Bewegung?
Umgang mit Stress und Belastungen
1.) Gönnen Sie sich bewusst kleine Verschnaufpausen im Alltag?
Täglich = 2 Punkte
Ab und zu = 1 Punkt
So gut wie nie = 0 Punkte
2.) Wie oft haben Sie das Gefühl, in negativen Gedankenkreisen (Sorgen und Ängste) gefangen zu sein?
Täglich = 0 Punkte
Ab und zu = 1 Punkt
So gut wie nie = 2 Punkte
3.) An wie vielen Tagen in der Woche führen Sie Entspannungsübungen durch, zum Beispiel autogenes Training, Muskelentspannung nach Jacobsen, körperbezogene Fantasiereisen oder Meditationen?
Täglich = 2 Punkte
Ab und zu = 1 Punkt
So gut wie nie = 0 Punkte
4.) An wie vielen Tagen in der Woche haben Sie das Gefühl, überlastet zu sein?
Täglich = 0 Punkte
Ab und zu = 1 Punkt
So gut wie nie = 2 Punkte
Welche Summe erhalten Sie für den Umgang mit Stress und Belastungen?
Atmung und Schlaf
1.) Rauchen Sie mehr als drei Zigaretten?
Täglich = 0 Punkte
Ab und zu = 1 Punkt
So gut wie nie = 2 Punkte
2.) Achten Sie auf einen ausbalancierten Tagesrhythmus vor allem in Bezug auf Phasen der Anstrengung und Erholung?
Täglich = 2 Punkte
Ab und zu = 1 Punkt
So gut wie nie = 0 Punkte
3.) Nehmen Sie sich Zeit, Ihre Atmung bewusst wahrzunehmen?
Täglich = 2 Punkte
Ab und zu = 1 Punkt
So gut wie nie = 0 Punkte
4.) Gönnen Sie sich ausreichend Schlaf? Das heißt, Sie wachen erholt morgens auf?
Täglich = 2 Punkte
Ab und zu = 1 Punkt
So gut wie nie = 0 Punkte
Welche Summe erhalten Sie für Atmung und Schlaf?
Tragen Sie nun bitte Ihre Summen für jede Säule der Lebensstilbereiche ein und malen Sie die Säulen in der Abbildung von unten ausgehend bis zum entsprechenden Wert aus. Was sehen Sie? Wie stabil und verlässlich sind Ihre Säulen? Wo gibt es Schieflagen? Wo möchten Sie den Tempel gerne stabilisieren, sich entwickeln, lang Geplantes umsetzen oder Neues entdecken und ausprobieren?
(Den kompletten Fragebogen mit den Fragen zu den weiteren Säulen „Ernährung“ und „Naturheilkundliche Selbsthilfestrategien“ sowie weitere Informationen und Übungen zur Verbesserung Ihrer Selbstheilungskräfte finden Sie in dem Buch von Dr. Anna Paul: „Hallo Körper, du kannst das!“ Gräfe und Unzer, ISBN 978-3833884436).
Wenn Sie vielleicht das Gefühl haben, Ihr persönliches Gebäude sei schon sehr instabil, so zeigt das Bild des Tempels doch auch, dass es immer auch ausgleichende und stabilisierende Faktoren gibt, welche die Gesundheit stützen. Versuchen Sie auch nicht, alles gleichzeitig aufzureißen und umbauen zu wollen – sondern arbeiten Sie Schritt für Schritt an mehr Stabilität und Gesundheit. Lernen Sie zum Beispiel, mit Achtsamkeit dem Stress zu begegnen, tief zu atmen oder verbessern Sie Ihren Schlaf, dann ist schon ganz viel gewonnen. Entwickeln Sie Routinen: Gehen Sie täglich mindestens 30 Minuten zu Fuß und essen Sie täglich eine Handvoll Walnüsse und schon haben Sie sich etwas Gutes getan. Und vergessen Sie nicht: Es geht nicht nur um körperliches Wohlsein, sondern auch um Ihre Gefühle und Ihre mentale Verfassung, nicht zu vergessen die Unterstützung durch ein soziales Eingebundensein. Stärken Sie selbst Ihre Fundamente, anstatt nur hier und dort reparieren zu lassen!
Diese vielen Bausteine, von denen schon Demokrit sprach, bilden die Ordnung des Lebens. Jeder von uns, von Ihnen kann Sorge für die Schwachstellen am Tempel der Gesundheit tragen. Vieles haben wir selbst in der Hand.