Wann muss eine Verstopfung bei Kindern behandelt werden?
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Kinderheilkunde
Unter einer Verstopfung versteht man eine Stuhlverstopfung, bei der der Stuhl nur unvollständig entleert wird und im Dickdarm zurückbleibt. Bestehen die Beschwerden über einen längeren Zeitraum, spricht man von einer chronischen Obstipation. Im Kindesalter ist die Obstipation eine der häufigsten Ursachen für Bauchschmerzen. Es wird geschätzt, dass etwa ein Drittel aller Klein- und Schulkinder regelmäßig unter Verstopfung leidet.
Was gilt überhaupt als normal?
Ein Säugling kann mehrmals täglich bis zu einmal in 14 Tagen (!) Stuhlgang haben, beim älteren Kind gilt eine Häufigkeit von mehrmals täglich bis dreimal pro Woche als normal – immer vorausgesetzt, dem Kind geht es allgemein gut dabei, und es hat keinerlei Beschwerden. Vor allem bei gestillten Säuglingen entsteht immer wieder große Aufregung, wenn mehrere Tage kein Stuhl in der Windel ist – das ist kein Problem, solange es dem Baby gut geht, es zufrieden ist und gut trinkt.
Wie erkennt man eine Obstipation?
Nicht nur eine seltene Stuhlentleerung, sondern auch harte, trockene und bröckelige Stühle und Schmerzen bei der Stuhlentleerung zählen zu den typischen Beschwerden. Das Kind sitzt lange auf der Toilette, weint beim Stuhlgang, weil der harte Stuhl im Dickdarm schmerzt und oft dazu führt, dass sich kleine Einrisse am After bilden. Bei einem längeren Verlauf kommt es außerdem zu Appetitmangel, Blässe und wiederkehrenden Bauchschmerzen.
Medizinische Diagnose
Eine funktionelle Obstipation – also eine Verstopfung, die nicht durch eine spezielle organische Ursache erklärbar ist – wird für Kinder ab vier Jahren derzeit nach den so genannten ROM-IV Kriterien definiert:
- zwei oder weniger Entleerungen pro Woche
- mindestens eine unfreiwillige Entleerung pro Woche
- Zurückhalten von Stuhl
- schmerzhafter oder harter Stuhlgang
- große Stuhlmassen im Enddarm
- große Stuhldurchmesser, die die Toilette verstopfen können
Wenn zwei oder mehr dieser Kriterien über mindestens einen Monat vorliegen, kann die Diagnose gestellt werden. Neben dieser häufigen, funktionellen Obstipation gibt es weitere Unterkategorien der Verstopfung. Eine wichtige Unterscheidung ist die so genannte Überlaufenkopresis: Hier kommt es zu einem „Kotschmieren“ – d. h. Stuhlstreifen in der Unterhose bis hin zu einem unfreiwilligen Einkoten (Stuhlinkontinenz), weil der Dickdarm einfach zu voll ist und „überläuft“. Dies wird fälschlicherweise oft als Durchfall gedeutet, weil der Stuhl dann auch sehr weich aussehen kann. Bei willensstarken Kindern zwischen drei und sechs Jahren kommt es vor, dass diese zwar schon die Toilette zum Wasserlassen benutzen, für die Stuhlentleerung aber konsequent auf das Anlegen einer Windel bestehen. Man spricht dann vom Toilettenverweigerungssyndrom, welches nicht selten zu einer Verstopfung führt. Meist handelt es sich um eine Übergangsphase zum Sauberwerden und gibt sich irgendwann wieder von selbst.
Welche Untersuchungen sind notwendig?
In der Regel ergibt sich die Diagnose aus der ausführlichen Befragung (Anamnese) und einer körperlichen Untersuchung: Bei der Untersuchung tastet der Kinderarzt harte Stuhlknollen im Bauch. Bei genauem Hinschauen finden sich oft kleine Risse am After, und bei der rektalen Untersuchung („Finger in den Po“) kommen harte Stuhlmassen zum Vorschein. Aber Vorsicht: Die rektale Untersuchung sollte nur ausnahmsweise und mit triftigem Grund durchgeführt werden, da dies äußerst unangenehm sein kann und den Kindern jahrelang im Gedächtnis bleibt.
In selteneren Fällen sind bestimmte, weitere Untersuchungen nötig: Vor allem bei sehr kleinen Säuglingen sollte eine Verstopfung sehr rasch medizinisch abgeklärt werden, da andere Grunderkrankungen vorliegen können. Das bekannteste Beispiel einer angeborenen Ursache ist der Morbus Hirschsprung: Hierbei sind die Nervenendigungen im Enddarm nicht ausgebildet, die Darmmuskulatur kann sich nicht richtig zusammenziehen und der Stuhl wird nur unter großen Mühen und Pressen entleert. Weitere organische Ursachen für eine Obstipation sind beispielsweise Schilddrüsenunterfunktion, Mukoviszidose oder seltene Störungen der Nerven oder Muskelfasern.
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Meist liegen Ernährungsprobleme zugrunde: Das Kind trinkt zu wenig, isst kaum Obst oder Gemüse und erhält dadurch zu wenig Ballaststoffe. Viele Kinder neigen auch dazu, den Stuhl bewusst oder unbewusst zurückzuhalten, z. B. beim Sport oder beim Spielen mit anderen Kindern. Manchen fehlt einfach die Zeit und Gelegenheit, auf die Toilette zu gehen, weil andere Dinge für den Augenblick interessanter sind und ablenken („Ich will aber noch Lego spielen!“), anderen fehlt es an einem geregelten Tagesablauf mit regelmäßigen Mahlzeiten und Pausen. Wieder anderen ist – zum Bespiel durch übertriebene Sauberkeitserziehung – die Situation peinlich, der Gang aufs Klo wird mit Schmutzigsein verbunden und der Stuhl zurückgehalten. Schließlich entsteht ein Teufelskreis: Der Stuhl wird hart, die Stuhlentleerung schmerzt, der Gang auf die Toilette wird noch stärker gemieden, und das Problem wird immer schlimmer.
Behandlung der funktionellen Obstipation
Genau aus diesem Grund sollte die Behandlung nicht verzögert werden. Das erste Ziel ist es, den Stuhl weich zu machen, damit es bei der Entleerung nicht mehr wehtut. Mit einem so genannten „oralen Stuhlweichmacher“ geht das ziemlich schnell: In der Leitlinie empfohlen wird Macrogol 3350 (z. B. Movicol® Junior aromafrei) oder Macrogol 4000 (z. B. Kinderlax® elektrolytfrei). Es handelt sich um neutral schmeckende, weiße Pulver, die problemlos in jede Flüssigkeit eingerührt werden können. Die Dosierung richtet sich nach der Intensität der Beschwerden und dem Körpergewicht. Die Behandlung mit Macrogol kann, wenn notwendig, auch problemlos über einen längeren Zeitraum fortgeführt werden. Wenn die Verstopfung schon sehr fortgeschritten ist oder starke Bauchschmerzen bestehen, kann zusätzlich eine Entlastung mittels Einläufen sinnvoll sein, am besten in Absprache mit dem Kinderarzt: Dazu eignen sich handelsübliche Klistiere (z. B. Mikrolax®). Dabei wird aus einer Plastiktube eine Flüssigkeit in den Po gespritzt. Nach einer Einwirkzeit von ca. 15 Minuten entleert sich meist reichlich Stuhl, der durch das Klistier flüssig geworden ist. Je nach Alter gibt es verschiedene Größen.
"Toilettentraining"
Bei langwieriger Obstipation oder Überlaufenkopresis sind wichtige Verhaltensmaßnahmen zu beachten. Bei unregelmäßigem Tagesablauf muss wieder ein regelmäßiger Rhythmus erlernt werden: Es hat sich bewährt, das Kind zweimal täglich ganz bewusst immer zur selben Uhrzeit auf die Toilette zu schicken; dabei sind keine „Nebentätigkeiten“ (Lesen) erlaubt; eine Sand- oder Eieruhr kann zur Einhaltung der Zeit verwendet werden; ein günstiger Zeitpunkt liegt nach dem Mittagessen, da dann natürlicherweise die Verdauung in Gang kommt: Durch die Dehnung des Magens kommt der Darm in Bewegung („gastrokolischer Reflex“).
Ernährung bei Verstopfung
Auf eine ballaststoffreiche Ernährung sollte unbedingt geachtet werden. Im Idealfall wird dazu zunächst ein Protokoll mit genauer Auflistung aller Speisen und Getränke geführt. Dies geschieht am besten über mehrere Tage, da sich die Ernährungsgewohnheiten von Tag zu Tag unterscheiden können. Je nach Ergebnis muss die Ernährung entsprechend umgestellt werden. Empfehlungen zur Ernährung bei Obstipation finden Sie in folgender Tabelle:
viel Flüssigkeit (Wasser, Obstsäfte), Obst, Gemüse, Suppen, Vollkornbrot, Frischkornbreie, Müsli, Weizenkleie, Butter, Olivenöl, Honig, Backpflaumen
Fleisch, Wurst, Schinken, Joghurt, Milch, fettreicher Käse, Eier
Bananen und rote Äpfel, Magermilch, Quark, Magerkäse, Weißbrot, Brezen, Kuchen, Gebäck, weiße Nudeln, Reis, Kakao, Schokolade, Eis, Marzipan, Pralinen, Pudding
Dazu kommt eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr. Allerdings ist das Durstgefühl von Kind zu Kind unterschiedlich, so dass hier nur grobe Richtwerte angegeben werden können: Zwischen 4–9 Jahren ca. ein Liter, zwischen 10–12 Jahren ca. 1,2 Liter. Von Milchmengen über einen ¼ Liter pro Tag (jenseits des Säuglingsalters) wird abgeraten, da sie eine Obstipation begünstigen können.
Homöopathie
Eine erstaunlich wirkungsvolle und zugleich nebenwirkungsfreie Methode zur Behandlung der Verstopfung stellt die Homöopathie dar. Sie kann auch problemlos mit Macrogol und anderen Maßnahmen kombiniert werden. Der Vorteil der Homöopathie besteht in ihrem ganzheitlichen Ansatz: Mit der passenden Arznei wird nicht nur der Darm behandelt, sondern auch auf Verhalten und Psyche Einfluss genommen, so dass damit oft eine entscheidende Wende bewirkt werden kann.
Wie bei jeder chronischen Krankheit sollte nach einem ausführlichen, ärztlichen Gespräch ein zum Kind passendes, individuell gewähltes Mittel verabreicht werden. Beispiele für wichtige Arzneien bei Verstopfung sind:
Calcium carbonicum
Dicke, runde, ruhige, zufriedene Säuglinge mit Schwitzen am Hinterkopf; Stühle riechen sauer; kalte, feuchte Füße; großer Kopf, dicker Bauch; Kinder lieben Eier und Süßigkeiten, mögen keine Milch; verzögerte Entwicklung, Lymphknotenschwellungen.
Alumina
Verstopfung der gestillten Säuglinge und Flaschenkinder, wenn der Beginn der Beschwerden mit der Umstellung von Stillen auf andere Kost zusammenfällt; Trockenheit der Schleimhäute; harter Stuhl, lauter kleine Kugeln; viel vergebliches Pressen; Kinder verlangen nach Unverdaulichem und trockenen Speisen; Reiseverstopfung.
Nux vomica
Reizbare, nervöse, überempfindliche Kinder; spastische Obstipation („Verkrampfung des Darms“); Verstopfung während der Zahnung; ständiger, erfolgloser Stuhldrang mit lebhaftem Kollern; Folgen von Medikamenten, Missbrauch von Abführmitteln; Risse am After.
Silicea
Unsichere, magere, sehr kälteempfindliche Kinder, starrköpfig, ängstlich, gewissenhaft; mühsamer Stuhlgang, schlüpft wieder zurück; zu schwach zum Pressen. Stuhlverhalten aus Angst vor Schmerzen, Bauchschmerzen; Analfissuren, Fisteln.
Dosiervorschlag: C30 oder D30, einmalig 1x3 Globuli, bei Bedarf wiederholen; alternativ C12 oder D12, 2x täglich 3 Globuli über mehrere Tage.