Wann müssen Kinder trocken sein?
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Kinderheilkunde
Die meisten Kinder lernen das Trockenwerden zwischen ihrem 3. und 5. Lebensjahr. Doch was ist, wenn dieser wichtige Entwicklungsschritt nicht so einfach gelingt? Die Situation ist dann für Eltern und Kinder gleichermaßen belastend. Erfahren Sie das Wichtigste zum Thema Einnässen und wie Sie mit einfachen Maßnahmen die Situation Ihres Kindes verbessern können.
Kinder lernen erst im Laufe ihrer Entwicklung, die Blase zu kontrollieren. Dies hängt mit der Ausreifung des Nervensystems zusammen. Im Durchschnitt werden Kinder mit 30 Monaten trocken – mit oder ohne Sauberkeitserziehung. Eine zu frühe, sehr fordernde oder sogar bestrafende Erziehung zum Sauberwerden bringt nichts, sondern kann sogar ein späteres Einnässen begünstigen. Das Kind sollte vielmehr langsam herangeführt werden: Wann man auf die Toilette geht, was „rechtzeitig“ heißt, wie man am besten dorthin kommt und was man vor Ort genau tun muss.
Der Beginn eines so genannten "Toilettentrainings" ist auch kulturell geprägt: In westlichen Ländern beginnt man üblicherweise im Alter zwischen 18 und 24 Monaten (oder etwas später), das Kind an den Toilettengang heranzuführen. Die meisten Eltern halten das Sauberwerden ihres Kindes für einen Vorgang, der ganz von allein im Rahmen der normalen kindlichen Entwicklung abläuft. Auch wenn dies in den meisten Fällen so ist, leiden im Alter von fünf Jahren doch immerhin zwischen sieben und 13 Prozent aller Kinder unter Einnässen. Im Alter von 10 Jahren nässen noch etwa fünf Prozent der Kinder nachts ein. Jungen sind doppelt so häufig betroffen wie Mädchen. Zwar ist vorübergehendes Einnässen nicht weiter schlimm und gibt sich oft von allein, nicht selten hält es sich allerdings hartnäckig und kann unter Umständen zu einer großen Belastung der ganzen Familie werden und im schlimmsten Fall bis zur sozialen Ausgrenzung des Kindes führen.
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ISBN: 978-3-945150-56-6
Erscheinungsjahr: 2016
15,00 EUR
Zum Shop »Was bedeutet Einnässen?
Einnässen im Kindesalter – also ein unwillkürlicher Urinverlust – wird als Harninkontinenz bezeichnet. Die so genannte nicht-organische, funktionelle Harninkontinenz beschreibt die häufigste Variante: Hierbei müssen angeborene Anomalien oder andere Grunderkrankungen ausgeschlossen sein. Derzeit wird in der medizinischen Leitlinie definiert: Für die Diagnose muss das Kind mindestens fünf Jahre alt sein.
Als Enuresis (früher auch: Enuresis nocturna) bezeichnet man mittlerweile nur noch das Einnässen im Schlaf, d.h. hier kann der nächtliche Schlaf als auch der Mittagsschlaf unter tags betroffen sein. Definition hier: Auftreten über die Dauer von drei Monaten und mindestens einmal pro Monat. Wenn das Kind noch nie (bzw. noch nie länger als sechs Monate am Stück) trocken war, spricht man von primärer Enuresis. Eine sekundäre Enuresis bedeutet, dass das Kind bereits einmal sauber war und es einen Rückfall gab.
Ursachen des Einnässens
Die Ursachen des Einnässens sind vielfältig. Bei der primären Enuresis liegt nicht selten eine familiäre Belastung vor, d.h. Vater oder Mutter haben als Kind ebenfalls eingenässt. Auch im Rahmen von allgemeinen Entwicklungs- oder psychischen Störungen kommt diese Variante des Einnässens vor. Aus vielerlei Gründen kann das Erlernen des Wechselspiels zwischen Harnzurückhalten und Harnlassen gestört sein.
Die sekundäre Enuresis ist häufiger bedingt durch Harnwegsinfektionen, d.h. allermeist durch Blasenentzündungen. In diesem Fall ist die Ursache relativ einfach festzustellen und zu behandeln: Die Kinder klagen in der Regel über Schmerzen beim Wasserlassen, der Urin kann sich verfärben und unangenehm riechen; ein einfacher Streifentest beim Kinderarzt führt rasch zur richtigen Diagnose, und die Blasenentzündung kann sofort behandelt werden. Eine große Rolle spielen darüber hinaus verschiedene psychische Belastungssituationen („Konflikt-Nässen“). Ein typisches Beispiel dafür ist die Geburt eines Geschwisterchens. Ebenso kann es vorkommen, dass Kinder z. B. beim Spielen im Kindergarten so konzentriert sind, dass sie den Harndrang gar nicht bemerken und plötzlich in die Hose machen („Spieleifer-Nässen“).
Wie sollte das Einnässen medizinisch abgeklärt werden?
Zunächst einmal wird eine Basisdiagnostik empfohlen: Dazu zählen Fragebögen und Protokolle, die das Verhalten des Kindes genau beschreiben und protokollieren (Blasentagebuch mit Trink- und Miktionsprotokoll über mindestens 48 Stunden, Dokumentation des Einnässens über 14 Tage). In der Kinderarztpraxis wird der kleine Patient genau untersucht, und eine Urindiagnostik und eine Ultraschalluntersuchung werden durchgeführt.
Wenn nach einer gründlichen Basisuntersuchung keine Anhaltspunkte für eine Grunderkrankung auftauchen, kann zunächst mit der Standardtherapie (s. unten) begonnen werden. Andernfalls muss der Kinderarzt entscheiden, welche weiterführenden Untersuchungen notwendig sind. Dabei empfiehlt die aktuelle Behandlungsleitlinie: Bei einer kontinuierlichen Harninkontinenz (also nicht nur im Schlaf, sondern auch tagsüber) soll eine intensive Diagnostik durchgeführt werden, da diese fast ausschließlich organisch bedingt ist.
Verhaltensmaßnahmen bei Enuresis
Am Beginn der Behandlung steht ein ausführliches Beratungsgespräch: Das Allerwichtigste ist zu erkennen, dass das Einnässen keine böswillige Handlung des Kindes ist. Statt Schuldzuweisungen hin und her zu schieben, sollten Kind und Eltern motiviert werden, durch Verhaltensmaßnahmen eine positive Veränderung zu erreichen.
Hierbei soll das Kind möglichst selbst in einen Kalender eintragen, an welchen Tagen bzw. Nächten es eingenässt hat, und wann es erfolgreich trocken geblieben ist. So kann für nasse Tage beispielsweise eine Wolke eingetragen werden, für trockene Tage eine Sonne („Sonne-und-Wolken-Kalender“). Bei 15–20 Prozent der Kinder reicht diese Maßnahme bereits aus.
Erwiesenermaßen ebenso nutzlos wie Schimpfen und Bestrafen ist es, die Flüssigkeitszufuhr einzuschränken – im Gegenteil: Tagsüber sollte das Kind viel trinken, die Trinkmenge sollte dabei über den Tag verteilt und nicht erst abends unmittelbar vor dem Schlafengehen ein ganzer Liter getrunken werden. Es kann hilfreich sein, auf zitrushaltige Säfte und Apfelsaft zu verzichten, da die enthaltene Säure die Blase noch zusätzlich reizt.
Für Kinder, die es tagsüber nicht schnell genug zur Toilette schaffen („Dranginkontinenz“), kann ein so genanntes Blasentraining hilfreich sein: Dabei wird einmal täglich geübt, den Urin so lange wie möglich zurückzuhalten, bis es nicht mehr geht. Eine weitere Übung besteht darin, eine Stunde vor dem Schlafengehen alle 10 Minuten zu urinieren, um die Blasenentleerung zu trainieren. Blasentraining ist allerdings nutzlos bei Kindern, die keine Auffälligkeiten beim Wasserlassen zeigen und beispielsweise nur nachts im Schlaf einnässen.
Konventionelle Behandlung der Enuresis
Bei hartnäckigem Einnässen im Schlaf gilt die apparative Verhaltenstherapie (AVT) als erste Wahl, d.h. die Verwendung einer Klingelhose oder Klingelmatte. Eine solche Therapie ist vor allem bei regelmäßigem, nächtlichem Einnässen sinnvoll und sollte unbedingt jede Nacht eingesetzt werden. Das Gerät registriert die Feuchtigkeit und weckt das Kind durch lautes Klingeln; es sollte anschließend direkt auf die Toilette gehen („Arousal-Training“). Dabei sollte das Kind unbedingt gelobt werden. Dadurch ergibt sich ein Lerneffekt (Konditionierung), und nach einiger Zeit sollte das Kind ganz sauber sein und ohne Gerät auskommen.
Der Einsatz der AVT erfordert aber eine sehr gute Mitarbeit und hohe Motivation von Kind und Eltern. Man sollte hier mindestens mit zwei bis drei Monaten Behandlungsdauer rechnen.
Als Erfolg gelten 14 aufeinander folgende Nächte ohne Einnässen. Bei einem Rückfall kann die Behandlung wiederholt werden. Als kompletter Erfolg gilt, wenn es nach zwei Jahren zu keinem Rückfall gekommen ist. Interessanterweise werden etwa 2/3 der Kinder trocken, indem sie in der Nacht durchschlafen. 1/3 der Kinder werden trocken, indem sie rechtzeitig wach werden und zur Toilette gehen (Nykturie). Beides sind gleichwertige Therapieerfolge. Die Erfolgsquote der apparativen Verhaltenstherapie liegt insgesamt bei 50–80 Prozent.
Homöopathische Behandlung der Enuresis
Eine oft wirkungsvolle und zugleich nebenwirkungsfreie Methode zur Behandlung der Enuresis stellt die Homöopathie dar. Homöopathie kann auch problemlos mit anderen
Methoden kombiniert werden und diese unterstützen.
In vielen Situationen kann die Homöopathie eine entscheidende Wende bewirken, insbesondere, wenn Belastungssituationen (z.B. Eifersucht etc.) eine Rolle spielen.
Häufig verschriebene Mittel sind beispielsweise Equisetum, Causticum, Kreosotum, Dulcamara, Sepia oder Tuberculinum. Wie bei jeder chronischen Erkrankung sollte nach einem ausführlichen Gespräch (Anamnese) ein zum Patienten passendes, individuell gewähltes, homöopathisches Konstitutionsmittel verabreicht werden.











