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Yama und Niyama – zeitlose Prinzipien für unsere moderne Welt

Yama und Niyama – zeitlose Prinzipien für unsere moderne Welt

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Meditation Mentale Gesundheit

In Zeiten von Krisen, Werteverlust und Informationsflut bieten die Yama und Niyama der Yoga-Philosophie Orientierung und innere Stabilität. Wie können wir diese lebensethischen Grundsätze heute praktisch leben und einen Weg zu innerer Ruhe und Klarheit finden?

Wir leben in einer Zeit globaler Unsicherheiten. Geopolitische Konflikte, Klimakrisen und ökonomische Instabilität prägen unseren Alltag. Hinzu kommen die Auswirkungen der digitalen Ära: eine Flut an Informationen, die Orientierungslosigkeit schürt, Fake News, die Zweifel säen, und soziale Medien, die Werte wie Ehrlichkeit und Authentizität oft in den Hintergrund drängen. Diese äußeren Herausforderungen verstärken eine innere Unruhe, die viele Menschen spüren.

Die Frage nach Orientierung, nach einem inneren Halt, wird immer drängender.

Inmitten dieses Chaos zeigt sich die Notwendigkeit eines moralischen Kompasses, der nicht von äußeren Autoritäten abhängt, sondern im Inneren verwurzelt ist. Genau hier setzen die Yama und Niyama der Yoga-Philosophie an. Diese zeitlosen Prinzipien bieten eine universelle Lebensethik, die nicht nur Orientierung schenkt, sondern auch innere Stabilität fördert. Sie sind mehr als abstrakte Werte: Sie laden uns ein, eine Praxis zu entwickeln, die unser Handeln, Fühlen und Denken auf eine harmonische, friedvolle Basis stellt.

Ethik mit Tiefe

Die Yama und Niyama stammen aus den Yoga Sutras des indischen Weisen Patanjali, einem der ältesten und einflussreichsten Werke der Yoga-Philosophie. Sie bilden die ersten beiden Stufen des achtgliedrigen Pfades (Ashtanga Yoga) und beschreiben lebensethische Prinzipien, die als Fundament für inneres Wachstum und spirituelle Entwicklung dienen. Die fünf Yama (Ahimsa – Gewaltlosigkeit, Satya – Wahrhaftigkeit, Asteya – Nicht-Stehlen, Brahmacharya – Mäßigung, Aparigraha – Nicht-Festhalten) befassen sich mit dem Umgang mit der äußeren Welt. Die fünf Niyama (Shaucha – Reinheit, Santosha – Zufriedenheit, Tapas – Disziplin, Svadhyaya – Selbststudium, Ishvarapranidhana – Hingabe) richten sich auf die innere Haltung des Einzelnen.

Doch Yama und Niyama sind mehr als Verhaltensregeln. Sie führen uns zurück zu unserer innersten Wahrheit, zu einer tiefen Verbindung mit der Seele. Ihre zeitlose Relevanz zeigt sich in ihrer universellen Anwendbarkeit – unabhängig von Kultur oder Glauben – und bietet Orientierung in einer Welt voller Ablenkungen und Herausforderungen.

Prinzipien für den Alltag

Die Yama und Niyama sind wie ein Kompass für ein achtsames und sinnvolles Leben. Sie zeigen uns, wie wir durch ethische Prinzipien Harmonie in unsere Beziehungen und in unser Inneres bringen können. Doch wie lassen sich diese zeitlosen Werte im Alltag umsetzen?

Die fünf Yama: Umgang mit der Welt

Gesundheitstipp

1. Ahimsa (Gewaltlosigkeit):
Ahimsa bedeutet, niemandem Schaden zuzufügen – nicht nur körperlich, sondern auch in Gedanken und Worten. Ein Beispiel ist die gewaltfreie Kommunikation in Konflikten: Anstatt impulsiv zu reagieren, hilft Ahimsa, mitfühlend und lösungsorientiert zu handeln.

2. Satya (Wahrhaftigkeit):
Satya fordert uns auf, ehrlich zu sein – nicht nur zu anderen, sondern auch zu uns selbst. Im Alltag bedeutet das, z.B. Gerüchte und „Fake News“ nicht einfach zu teilen, sondern Informationen bewusst zu hinterfragen. Ehrlichkeit im Dialog bedeutet, sich authentisch zu zeigen, anstatt ein falsches Bild von Perfektion zu vermitteln.

3. Asteya (Nicht-Stehlen):
Asteya geht über das materielle Stehlen hinaus. Es betrifft auch Zeit, Aufmerksamkeit oder Ideen. Ein Beispiel: Wer in Gesprächen anderer wirklich zuhört, anstatt nur selbst im Mittelpunkt stehen zu wollen, praktiziert Asteya im täglichen Leben.

4. Brahmacharya (Mäßigung):
Brahmacharya bedeutet, sich nicht in Exzessen zu verlieren, sondern maßvoll zu handeln. Dies kann bedeuten, Mahlzeiten und Medienkonsum bewusst zu regulieren, um Übersättigung und Ablenkung zu vermeiden. Es hilft uns, unsere Energie auf das Wesentliche zu lenken.

5. Aparigraha (Nicht-Festhalten):
Aparigraha lehrt uns, uns von Besitzdenken zu befreien. Im Alltag heißt das beispielsweise, nicht immer das Neueste haben zu müssen, sondern den Wert der Dinge zu schätzen, die wir bereits besitzen. Dankbarkeit kultiviert Genügsamkeit und reduziert Konsumdruck.

Die fünf Niyama: Pflege der inneren Haltung

Gesundheitstipp

1. Shaucha (Reinheit):
Shaucha umfasst körperliche, geistige und emotionale Reinheit. Das bewusste Vermeiden toxischer Einflüsse – wie ungesunder Nahrung oder reißerischer Nachrichten – und die Pflege eines klaren Geistes durch Achtsamkeit sind Beispiele, wie Shaucha im Alltag gelebt werden kann.

2. Santosha (Zufriedenheit):
Santosha ermutigt uns, im Moment zu sein und die Fülle des Lebens zu erkennen. In einer Konsumgesellschaft, die ständig nach „mehr“ strebt, bedeutet Santosha, mit dem zufrieden zu sein, was wir haben und uns an kleinen Freuden zu erfreuen.

3. Tapas (Disziplin):
Tapas steht für die Bereitschaft, Anstrengung zu akzeptieren, um zu wachsen. Das tägliche Praktizieren von Meditation oder Yoga, selbst wenn es herausfordernd ist, ist ein Weg, wie Tapas uns helfen kann, innerlich zu reifen.

4. Svadhyaya (Selbststudium):
Svadhyaya lädt uns ein, uns selbst besser kennenzulernen – durch Lesen, Schreiben oder Meditation. Ein Beispiel: Am Ende des Tages über die eigenen Handlungen nachzudenken und sich zu fragen, ob sie den inneren Prinzipien entsprochen haben.

5. Ishvarapranidhana (Hingabe):
Dieses Prinzip erinnert uns daran, Kontrolle loszulassen und Vertrauen in das Leben zu haben. Im Alltag kann es bedeuten, sich in schwierigen Momenten auf das größere Ganze einzulassen, anstatt sich gegen Unvermeidbares zu wehren.

Die Yama und Niyama sind keine abstrakten Konzepte, sondern lebendige Werkzeuge, die uns helfen, Herausforderungen des modernen Lebens mit Klarheit und Mitgefühl zu begegnen. Ihre Anwendung im Alltag schafft eine Balance zwischen äußeren Anforderungen und innerer Ausgeglichenheit – und öffnet den Weg zu einem Leben, das in Harmonie mit uns selbst und anderen steht.

Die Yama und Niyama teilen dabei ihre universelle Werte mit vielen spirituellen Traditionen. Die Goldene Regel des Christentums – „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“ – spiegelt beispielsweise Ahimsa und Mitgefühl wider. Der Buddhismus betont mit der Achtsamkeit und dem rechten Handeln ähnliche Grundsätze. Im Sufismus finden sich Aspekte wie Hingabe (Ishvarapranidhana). Diese Parallelen zeigen: Die Weisheit ethischer Lebensführung ist zeitlos und über Kulturen hinweg relevant, um innere und äußere Harmonie zu schaffen.

Nachhaltige Transformation

Die Meditationsbasierte Lebensstilmodifikation (MBLM) ist eine ganzheitliche Lebenspraxis für die heutige Welt, welche die zeitlosen Prinzipien von Yama und Niyama mit modernen Ansätzen der Mind-Body-Medizin und positiver Psychologie verbindet. Sie macht diese ethischen Werte nicht nur greifbar, sondern auch praktisch anwendbar, um innere Stabilität in einer komplexen Welt zu fördern.

Das Selbstregulationsmodell (Gard et al. 2014) verdeutlicht, wie MBLM die Synergie klassischer Yoga-Bestandteile nutzt. Top-down-Prozesse stärken das Bewusstsein und fördern eine positive Selbstreflexion. Teilnehmer setzen sich aktiv mit den Yama und Niyama auseinander, indem sie ihre Handlungen, Gedanken und Gewohnheiten überprüfen. Durch gezielte Achtsamkeitsübungen entsteht eine tiefere Verbindung zu den Prinzipien, die ins tägliche Leben übertragen wird.

Parallel wirken Bottom-up-Prozesse, indem körperliches Yoga und Atemtechniken das Nervensystem regulieren. Diese Übungen beruhigen den Geist und schaffen eine Grundlage für eine nachhaltig transformierende Praxis. Mantra-Meditation ergänzt diesen Ansatz und stellt den zentralen Bestandteil von MBLM dar. Die Wiederholung eines Mantras verbindet die meditative Praxis mit der tiefen spirituellen Dimension des Yoga. Mantras wirken durch Klang und Schwingung direkt auf den Geist und helfen, die innere Ruhe zu vertiefen, Grübeln zu reduzieren und eine Verbindung zum innersten Bewusstsein herzustellen.

Durch die Kombination von Lebensethik, körperlichem Yoga und Mantra-Meditation wird eine ganzheitliche Praxis geschaffen, die tiefgreifende Veränderungen ermöglicht. Die Mantra-Meditation verstärkt dabei die transformative Kraft der Yama und Niyama, indem sie das Bewusstsein für innere Werte stärkt und den Zugang zu innerer Stabilität und Frieden öffnet. MBLM zeigt so auf pragmatische Weise, wie die zeitlosen Prinzipien der Yama und Niyama in einer modernen Welt wieder lebendig werden können.

Ein Kompass für die heutige Welt

Die Yama und Niyama schenken uns Klarheit und innere Stärke in Zeiten der Unruhe. Sie sind ein Weg, der zu mehr Harmonie mit uns selbst und der Welt führt. In der Meditationsbasierten Lebensstilmodifikation (MBLM) erhalten diese Prinzipien eine zeitgemäße Umsetzung, die Reflexion, körperliche Praxis und die transformative Kraft der Mantra-Meditation vereint. Wer sich auf diesen Weg einlässt, findet nicht nur Orientierung, sondern eine tiefe Verbindung zu seiner inneren Wahrheit – dem stärksten Kompass im Leben.

Weitere Informationen unter: www.neue-medizin-der-seele.de

Hinweis: Der Artikel „Yama und Niyama – zeitlose Prinzipien für unsere moderne Welt“ von PD Dr. Holger C. Bringmann ist ursprünglich in unserer Mitgliederzeitschrift (02/2025) erschienen.

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PD Dr. med. Holger C. Bringmann

Holger Bringmann ist Psychiater mit der Zusatzbezeichnung Naturheilverfahren, ayurvedischer Lebensstilberater und Meditationslehrer. Neben seiner leitenden klinischen Tätigkeit unterstreicht seine Habilitation an der Charité Universitätsmedizin sein wissenschaftliches Engagement. Über zwanzig Jahre spirituelle Praxis und transformative Jahre in Indien prägen seine tiefe Verbindung zur „Wissenschaft der Seele“.