COVID-19-Impfung bei Kindern und Jugendlichen
Veröffentlicht am
Update vom 23.08.2021
Gesundheitstipps Immunsystem Kinderheilkunde
"Soll ich meine Tochter/meinen Sohn gegen Corona impfen lassen?", lautet derzeit eine der häufigsten Fragen in den Sprechstunden der Kinder- und Jugendärzte. Diese Frage ist nicht einfach mit "ja" oder "nein" zu beantworten, sondern erfordert zunächst einen Blick auf die aktuellen Rahmenbedingungen:
Der mRNA-Impfstoff Comirnaty® (Hersteller: BionNTech/Pfizer) konnte in Deutschland seit Ende Dezember 2020 im Rahmen einer Notfallzulassung an Personen ab 16 Jahre verimpft werden. Ende Mai 2021 empfahl die Europäische Arzneimittelsagentur (EMA) die Zulassung auch für Jugendliche ab 12 Jahren, was die Europäische Kommission kurz darauf bewilligte. Die Mitgliedsländer der EU reagierten auf diese Entscheidung unterschiedlich: In Deutschland ist die Empfehlung der Ständigen Impfkommision beim Robert-Koch-Institut (STIKO) maßgeblich. Die STIKO existiert seit den 1970er Jahren und besteht aus einer Gruppe unabhängiger Experten, die die Impfempfehlungen für Deutschland dem aktuellen Stand der Wissenschaft anpasst und laufend aktualisiert. Diese Empfehlungen gelten als aktueller medizinischer Standard.
Erste Stellungnahme der STIKO zur Impfung bei Kindern und Jugendlichen stößt auf Akzeptanz
Am 10. Juni 2021 hat die STIKO erstmals eine Bewertung für die COVID-19-Impfung für die Altersgruppe von 12-17 Jahren abgegeben (STIKO-Empfehlung, aktualisierte Fassung vom 8.7.2021). Darin wird die Impfung nicht allgemein empfohlen, sondern nur für Jugendliche mit bestimmten Vorerkrankungen. Dazu zählen unter anderem Adipositas, schwere Erkrankungen des Immunsystems, angeborene Herzfehler, Trisomie 21, chronische Lungenerkrankungen, Krebserkrankungen oder ein schlecht eingestellter Diabetes mellitus.
Außerdem wird die Impfung für Kinder und Jugendliche ab 12 Jahre empfohlen, "in deren Umfeld sich Angehörige oder andere Kontaktpersonen mit hoher Gefährdung für einen schweren COVID-19-Verlauf befinden, die selbst nicht geimpft werden können oder bei denen der begründete Verdacht auf einen nicht ausreichenden Schutz nach Impfung besteht (z.B. Menschen unter relevanter immunsuppresiver Therapie)." Für alle übrigen Kinder und Jugendlichen, auf die diese Empfehlungen nicht zutreffen, ist die Verabreichung des Impfstoffes allerdings nicht verboten und kann, so die STIKO weiter, "nach ärztlicher Aufklärung und bei individuellem Wunsch und Risikoakzeptanz" im Rahmen der Notfallzulassung dennoch angewendet werden. Die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) hat sich dem Votum der STIKO in einer eigenen Stellungnahme unmittelbar angeschlossen.
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Zum Shop »Leider hat sich die Diskussion um Kinderimpfungen in den letzten Wochen zu oft von einer sachlichen Basis entfernt. Die bevorstehende Bundestagswahl führt außerdem dazu, dass jetzt viele Politiker sogar die STIKO grundsätzlich in Frage stellen und für eine "Impfung für alle" werben, wodurch das Thema noch weiter polarisiert. Dabei haben sich insgesamt 28 medizinische Fachgesellschaften in Deutschland in einer Erklärung ausdrücklich hinter die STIKO gestellt.
Spielen Jugendliche in Bezug auf die Herdenimmunität überhaupt eine Rolle?
Obwohl es weder eine allgemeine Empfehlung noch eine Impfpflicht gibt, ist ein zunehmender sozialer Druck zu beobachten, der mit medizinischen Begründungen oder Abwägungen nichts zu tun hat: Manche Eltern befürchten bespielsweise, dass ein regulärer Schulbesuch im kommenden Schuljahr ohne Impfung nicht möglich sein könnte, Jugendliche wollen durch die Impfung "ihre Freiheit zurück" oder einfach nur geimpft werden, weil Freunde in der Klasse oder die Nachbarn schon geimpft sind. Der Sprecher der Arbeitsgruppe Impfen der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM), Dr. Wolfgang Schneider-Rathert hat dazu gemeinsam mit dem Kollegen Dr. Thomas Maibaum in einem Interview in der Ärztezeitung treffend geäußert: "Gesellschaftspolitische Entscheidungen wie die Beendigung des Lockdowns an eine Impfung von Kindern und Jugendliche zu koppeln, würde dem ärztlichen Ethos widersprechen". Außerdem sei bezüglich der Herdenimmunität fraglich, "inwieweit die etwa 4,5 Millionen Jugendlichen zwischen zwölf und 18 Jahren (rund 5,5 Prozent der deutschen Bevölkerung) das Erreichen dieses Ziels beschleunigen können".
Naturgemäß findet sich in der Bevölkerung ein großes Spektrum an Meinungen zur COVID-19-Impfung, das in den Extremen von grundsätzlicher Ablehnung der Impfung bis zur Befürwortung einer Impfpflicht reicht. Dies mag auch von den bisherigen, individuellen Erfahrungen geprägt sein, die jede/jeder Einzelne in der Pandemie gemacht hat: War man selbst erkrankt oder ist gar ein Familienangehöriger an COVID-19 verstorben? Oder gibt es konkrete Erfahrungen mit Komplikationen der Impfung – im Extremfall sogar ein Todesfall? Dementsprechend können die eigenen, individuellen Vorstellungen über die Gefährlichkeit von COVID-19 einerseits, die Angst vor Impfkomplikationen andererseits sehr stark variieren.
Wie verhält es sich mit der Langzeittoxizität von Trägerstoffen?
Dazu kommt, dass über die kurzfristigen Nebenwirkungen (z.B. Myokarditis – Herzmuskelentzündung) zwar mittlerweile einige Daten gesammelt werden konnten (vgl. aktueller Bericht des Paul-Ehrlich-Instituts), über die Langzeiteffekte jedoch nichts bekannt sein kann: Wie verhält es sich beispielsweise mit der Langzeittoxizität der Trägerstoffe, die im Impfstoff enthalten sind? Welche Auswirkungen könnte es nach mehreren Monaten oder sogar Jahren geben? Können Autoimmunerkrankungen durch die Impfung ausgelöst werden? Überwiegt das Risiko von Nebenwirkungen durch die Impfung gar das Risiko von Komplikationen im Krankheitsfall bei gesunden Jugendlichen? Solche und ähnliche Fragen können zum jetzigen Zeitpunkt nicht befriedigend beantwortet werden.